19.09.22

Im Dialog: Megatrends

Interview mit Bernd Wagner

Bernd Wagner, Managing Director bei Google Cloud Deutschland

Wir sprechen mit Bernd Wagner. Er spricht mit uns unter anderem darüber, auf welche technologischen Innovationen Google beim Klimaschutz setzt, dass Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion Treiber der Innovationskraft sind und wie wir mit künstlicher Intelligenz gesünder leben.

Katja Suding
Im Gegensatz zu kurzfristigen Trends, deren Halbwertszeit bei weniger als fünf Jahren liegt, also zum Beispiel in der Mode oder beim Zeitgeist, sind Megatrends die starken Treiber der Veränderung. Welche Megatrends spielen in Ihrem beruflichen Umfeld eine Rolle?

Bernd Wagner
Ich habe mit allen zu tun. Mit einigen allerdings mehr als mit anderen. Der Gender Shift, also das Aufbrechen tradierter sozialer Rollen, die wir Männern und Frauen in der Gesellschaft zuschreiben, wird bei Google noch weiter gefasst. Wir sehen darin eine Möglichkeit, Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion zu fördern. Das ist ein wichtiger Treiber unserer Innovationskraft, für die Google bekannt ist und zahlt wiederum auf die Megatrends ein. Wenn wir ein Produkt entwickeln, dann sind Entwicklerteams aus der ganzen Welt daran beteiligt. Das ist deshalb zentral, weil unsere Produkte jeden Tag von mindestens einer Milliarde Menschen genutzt werden. Darum müssen wir deren Bedürfnisse aus der Perspektive verschiedenster kultureller Gepflogenheiten berücksichtigen. Diese Empathiefähigkeit ist ein Schlüssel unseres Erfolges.

Markus Warg
Welche Megatrends beschäftigen Sie außerdem?

Bernd Wagner
Ein zweiter Megatrend ist Gesundheit. Menschen sind heute bereit, viel Geld für ihre Gesundheit auszugeben. Deswegen investiert Google auch stark in das Thema. Wir wollen den Menschen mit der Plattform Google Health helfen, ein gesünderes Leben zu führen. Dafür können wir unseren Beitrag leisten, indem wir den Nutzern maßgebliche Informationen zu ihrer Gesundheit zur Verfügung stellen und für sie auswerten. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, um Ärzte bei der Diagnostik zu unterstützen.
Der dritte Megatrend ist die Globalisierung. Hier laufen die Entwicklungen konträr. Durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg wurde das globale Gleichgewicht aus den Fugen gehoben. Zuvor stark getriebene Globalisierungsbestrebungen bei der Datensouveränität, der Produktion und den Lieferketten werden wieder in Frage gestellt und umgekehrt. Chips zum Beispiel werden jetzt in größerem Umfang in Deutschland produziert, siehe Intel in Magdeburg. Der Megatrend Neo-Ökologie hat auch Dank der Fridays-for-Future-Bewegung um Greta Thunberg einen Aufmerksamkeitsschub erlangt. Für Google hat er schon lange davor eine große Rolle gespielt. Und zuletzt der Megatrend Konnektivität. Hier ist der Bedarf in den letzten Jahrzehnten immens gewachsen. Heute hat praktisch jeder ein Mobiltelefon und ist ständig online. Konnektivität ist zu einem Grundbedürfnis der Menschen geworden und trägt maßgeblich zum Erfolg eines Landes bei.

Katja Suding
Klimaschutz ist eine zentrale Herausforderung, vor der die Welt steht. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, könnten wir unsere Art zu leben aufgeben und in die vorindustrielle Zeit zurück kehren. Oder aber, so wie Sie es vorschlagen, in technologische Innovationen investieren, die CO2 einsparen, aber unseren Wohlstand erhalten und sogar ausbauen. Was sind die Bedingungen, damit das so funktioniert? Welche Rolle spielen Plattformen und Ökosysteme in diesem Zusammenhang? Wie können durch das geregelte und orchestrierte Zusammenspiel neuer Partner Innnovationen entstehen?

Bernd Wagner
Da gibt es viele Beispiele. Google hilft 500 Städten weltweit bis 2030 und darüber hinaus, jährlich eine Gigatonne CO2 einzusparen. Das ist so viel wie Japan als Industrieland mit 130 Millionen Menschen in einem Jahr ausstößt. Wir fallen dabei nicht ins Mittelalter zurück, sondern nutzen den technologischen Fortschritt. Wir berechnen Schätzwerte für Emissionen von Gebäuden und Verkehrsmitteln, helfen den Städten, ihr Solarpotenzial auf Dächern zu verstehen und die Luftqualität und den Umfang der Baumkronen zu messen. Seit 2007 ist Google als Unternehmen CO2-neutral, weil wir in den Kauf von CO2-Zertifikaten und die Aufforstung von Regenwäldern investiert haben. Außerdem haben wir fünf Milliarden Euro in einen Fonds zum Aufbau von Photovoltaikanlagen und Windparks investiert. Wir haben das erste Rechenzentrum in Belgien aufgebaut, das nur über Batterien gespeist wird. Diese werden wiederum von Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft gespeist. Überschüsse speisen wir in das lokale Stromnetz ein.
Das geht aber nur, weil wir mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen arbeiten. Wir sind heute in der Lage, die Auslastung unserer Server-Systeme so zu optimieren, dass sie kaum Leerlauf haben. Unsere Data-Center-Infrastruktur ist so intelligent, dass sie bei einer Suchanfrage in der Lage ist zu entscheiden, ob sie aus dem Rechenzentrum in Frankfurt bearbeitet werden soll, weil dort wegen starker Winde viel Energie aus Windkraftanlagen fließt und deshalb die Energiebedingungen gerade genau richtig sind. Oder ob sie in Spanien besser sind, weil die Sonne stark scheint und zu hundert Prozent CO2-neutrale Energie für das Rechenzentrum zur Verfügung stellt. Wir sparen auf diesem Weg 30 Prozent Energie in unseren Rechenzentren ein. Wir fragen alle fünf Minuten Tausende von Sensoren in den Rechenzentren ab und führen diese Daten mit Informationen aus Google Earth sowie den Wetterdaten zusammen. Dadurch können wir dann zum Beispiel bei einer Kaltfront trotz einer punktuell sehr hohen Anzahl an Suchanfragen und der damit verbundenen Serverlast, auf die energieaufwendige Kühlung verzichten.
Um Großstädten beim Energiesparen zu helfen, analysieren wir die anonymisierten Bewegungsdaten der Menschen von Google Maps. Wir wissen dann, wann es Sinn macht, eine grüne Ampelphase zu verlängern, um den Verkehrsfluss aufrecht zu halten. Die Schweizer Bahn spart die Energieleistung eines gesamten Wasserkraftwerkes ein, indem die Geschwindigkeit der Züge vorausschauend berechnet wird. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass die schweren Züge vor Bahnübergängen oder bei vorausfahrenden Zügen bremsen und dann energieaufwendig und materialverschleißend wieder beschleunigen müssen.

Markus Warg
Kommen wir zum Megatrend Sicherheit. Mit Ihrer Initiative „Cloud. Nach deutschen Maßstäben.“ wollen Sie deutschen Unternehmen die Souveränität über ihre Daten zurückgeben und den Datenschutz stärken. Ist das ein wachsendes Bedürfnis Ihrer Kunden? Und warum und wofür?

Bernd Wagner
Unternehmen haben hinsichtlich der IT-Sicherheit und Datensicherheit mittlerweile erkannt, dass die Cloud im Gegensatz zum Rechenzentrum wesentlich homogener und beherrschbarer gestaltet ist. Sicherheitskontrollen lassen sich 24/7 aufrechterhalten, ohne zusätzliche Belastungen der ohnehin raren personellen Ressourcen in Unternehmen zu erzeugen. Die grundlegenden Kontroll- und Sicherheitsfunktionen von Google Cloud bieten einen starken Schutz, entsprechen den aktuellen strengen Sicherheits- und Datenschutzanforderungen und berücksichtigen viele Wünsche unserer Nutzer. Mit der Initiative „für Deutschland nach deutschen Maßstäben“ zeigen wir, dass wir unseren Kunden zuhören und verstehen, was sie möchten. Vor allem das Thema Datensouveränität steht hier im Fokus. Konkreter heißt das: Wir entwickeln gemeinsam ein breites Spektrum an souveränen Cloud-Lösungen und Infrastrukturen für unterschiedliche Kundengruppen. Ziel ist es, dass sensible Daten und Arbeitslasten in einer souveränen Cloud verarbeitet werden – und gleichzeitig die Skalierbarkeit, Innovationskraft und Zuverlässigkeit von Public-Cloud- Diensten genutzt werden können.

Katja Suding
Als Cloud-Anbieter spielt Konnektivität für Sie eine große Rolle. Sie schaffen die Infrastruktur dafür, dass Menschen sich weltweit vernetzen und unser Leben und Arbeiten digitaler wird. Eine wichtige Voraussetzung für digitale Plattformen und Ökosysteme, oder? 

Bernd Wagner
Ja, sicherlich, denn in der Geschäftswelt beginnt die Schaffung eines positiven Arbeitsumfeldes mit der richtigen Technologie. Sie sollte eine Vielzahl von Meeting-Tools bereitstellen, um die Arbeit von jedem Ort aus zu erleichtern und produktiver zu gestalten. Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung für jedes Unternehmen beschleunigt. Alle erkennen die Notwendigkeit eines digitalen Unternehmensauftritts und der Back-End- Lösungen, die sie für die Zukunft flinker, effizienter, nachhaltiger und kollaborativer machen. Mit der Google Cloud Plattform bieten wir Unternehmen eine Technologieplattform für die digitale Transformation. Und Google Workspace hilft Unternehmen, die Zusammenarbeit zu verbessern, während Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten. Er hilft auch Lehrern, mit Schülern zu kommunizieren, Ärzten, sich mit Telemedizin um Patienten zu kümmern und Versicherungsunternehmen, Kunden über digitale Agenten zu bedienen.
Insgesamt kann man sagen: Die Cloud ist in erster Linie der Treiber für die digitale Transformation, denn die Technologie ermöglicht Unternehmen eine agile und zukunftsfähige Arbeitswelt zu gestalten. Statische Arbeitsmodelle gehören der Vergangenheit an. Cloud-Lösungen helfen Betrieben dabei, ihr operatives Geschäft in einer datengetriebenen Welt zu optimieren. Auch die Themen Customer Experience und Expectations spielen eine große Rolle, denn auch diese entscheiden maßgeblich über den Geschäftserfolg.

Markus Warg
Was hat all das mit dem Plattform- und Ökosystementwickler SDA SE zu tun? Wie können wir uns das Zusammenspiel von Google Cloud und dem Bauplan der SDA SE vorstellen? Haben Sie ein griffiges Beispiel?

Bernd Wagner
Da gibt es einige Anknüpfungspunkte. Die SDA ist ein Bauplan für Kooperationen auf Plattformen. Sie ermöglicht Partner und ihre Fähigkeiten zu verbinden, aus Interaktionen zu lernen, die Fähigkeiten zu Wertversprechen zu orchestrieren, Regeln für alle Teilnehmer zu setzen und vieles mehr. Die SDA SE übersetzt diesen Bauplan in Technologie, die wiederum in der Cloud betrieben wird. Hier ist das erste Zusammenspiel, denn die Plattform der SDA SE wird auch in der Google Cloud betrieben. Ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit von Google und SDA SE sind Gesundheitsplattformen. Google will mit weiteren Partnern wie dem indonesischen Pharma-Unternehmen Bio Farma Menschen zu einem gesünderen Lebensstil verhelfen und chronische Krankheiten durch Prävention minimieren. Konkret kommuniziert der Fitbit-Tracker mit dem Diabetes-Pflaster, um dem Träger mitzuteilen, dass er jetzt sieben Einheiten spritzen müsste. Er sagt ihm aber auch, dass er alternativ eine Runde um den Block gehen und ein paar Treppen steigen könnte, um dann nur drei Einheiten zu brauchen. Diese Lösungen und Partner können auch auf der Plattform der SDA SE eingebunden und mit weiteren Fähigkeiten, Daten und Lösungen kombiniert werden. Vorstellbar ist beispielsweise über die Einbindung von Versicherungsunternehmen den Kunden anzubieten ihre Gesundheitsdaten ebenfalls für die skizzierte Prävention zu nutzen, um diese für sie noch passgenauer zu machen.

Katja Suding und Markus Warg
Wir danken für das Gespräch!

Dieses Interview ist Teil unserer Dialogserie: Megatrends.

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