26.04.22

Volle Datenkraft voraus

Drei Erfolgsfaktoren für die digitale Schadenmeldung der Zukunft

*Mit freundlicher Genehmigung vom Verlag Versicherungswirtschaft GmbH & Co. KG

Sieben von zehn Personen in Deutschland möchten laut einer Umfrage der Gothaer im Jahr 2019 bei ihrer Versicherung einen Schaden digital in der App einreichen. Für Versicherungen bietet sich die Chance, mit einer schnellen und übersichtlichen Schadenmeldung die Kundenzufriedenheit essenziell zu steigern und eine nachhaltige Grundlage für Vertrauen und Kundenloyalität zu schaffen. Nicht ohne Grund wird der Schadensfall als sogenannter „Moment of Truth“ bezeichnet, denn er stellt ein bedeutsames, oft emotionales Ereignis dar, in welchem der Kunde unkomplizierte Hilfe erwartet. Versicherungen müssen in diesen kritischen Situationen beweisen, dass sie ein zuverlässiger Partner sind. Indem sie dem Kunden Zugang zu verständlichen Informationen geben und Transparenz zeigen, können sie dieses Ziel erreichen. Services wie das Status-Tracking oder eine schnelle Kommunikation über denjenigen Kanal, den der Versicherungsnehmer präferiert, sind unerlässlich, um die heutigen Kundenbedürfnisse zu erfüllen. 

Trotz der Signifikanz bietet ein Großteil der Versicherungen bis heute keine vollautomatisierte Schadenmeldung an. Dabei bringt die Digitalisierung des Prozesses nicht nur Vorteile im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit mit sich, sondern bietet darüber hinaus enorme Kosteneinsparungspotenziale. Im Jahr 2020 haben die deutschen Schaden- und Unfallversicherer circa 22 Millionen Schäden reguliert und mussten hierfür mehr als 70 Prozent ihrer Beitragseinnahmen aufwenden (Versicherungsforen Leipzig & msg., 2021). Auch zukünftig werden Versicherungen kaum Abstriche in der Begleichung der Schäden machen. Mithilfe digitaler Technologien können aber verstärkte Präventionsmaßnahmen und eine bessere Risikoauswahl umgesetzt sowie Betrugsfälle erheblich reduziert werden. Nach Angaben von Bain & Company (2019) lassen sich durch den konsequenten Einsatz von digitalen Technologien im Schadenmanagement 3 bis 5 Prozent der Gesamtkosten einsparen.

Europäische Versicherer haben das Potenzial bereits erkannt und planen in den kommenden drei Jahren rund 29 Prozent ihres Investitionsbudgets für die Digitalisierung des Schadenmanagements einzusetzen (Versicherungsforen Leipzig & msg., 2021). Trotz dessen scheitert es oft an der technischen Umsetzung. Welche Erfolgsfaktoren müssen Versicherer also bei zukünftigen Investitionen berücksichtigen, damit eine vollautomatisierte Schadenmeldung gelingt? 

Herausforderung 1: Konsequentes Denken aus Sicht des Kunden anhand von Daten

Die heutigen Kundenerwartungen orientieren sich an den digitalen Erlebnissen, die ihnen bereits in anderen Branchen geboten werden. Während die Frontends von Versicherungen oftmals suggerieren, der Schadenmeldungsprozess sei auf die Bedürfnisse des Nutzers ausgerichtet, folgen sie in der Realität den Backofficelogiken und demnach historisch bedingt den Bedürfnissen der Servicemitarbeiter. Nicht selten müssen Schadenfälle durch die eigenen Mitarbeiter oder externe Dienstleister nachbearbeitet werden, wodurch lange Wartezeiten entstehen, in denen der Kunde keine Auskunft über den Bearbeitungsstand seines Schadens erhält. Die Erwartungshaltung des Kunden wird schlichtweg nicht getroffen. 

Trotz der Vielzahl an Daten zu Kunden, Produkten und Schadensfällen, die Versicherungen aus ihrer Historie heraus besitzen, nutzen laut einer Studie der Versicherungsforen Leipzig & msg. aus dem Jahr 2021 nur circa 40 Prozent diese Daten für die systematische Optimierung des Schadenmeldeprozesses. Aufgrund der oftmals abgeschotteten Datensilos und der großen Anzahl an unterschiedlichen, monolithischen IT-Systemen stehen die Konzerne vor einer Mammut-Aufgabe im Hinblick auf konsistente Datenhaltung und -nutzung. Prozesse wie das Statustracking oder das Nachreichen von Dokumenten und ein 360-Grad-Blick auf den Versicherten werden jedoch erst durch die Nutzung von Daten möglich. Sie sind der entscheidende Faktor für kundenzentrierte Services und ein fester Bestandteil jedes einzelnen Prozessschrittes. 

Eine geeignete Lösung sind Data-Warehouse- und Data-Lake-Technologien, die als zentraler Ort zur Speicherung sämtlicher Daten dienen. Somit werden Daten verfügbar und für alle Akteure zugänglich gemacht. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich um strukturierte, unstrukturierte, interne oder externe Daten handelt, sondern lediglich, dass die Daten gespeichert, angereichert und analysiert werden können. Skalierbarkeit und Echtzeit-Verarbeitung großer Datenmengen sind das Resultat, wodurch dem Kunden ein auf seine Bedürfnisse ausgerichtetes Serviceerlebnis geboten und Mehrwerte geschaffen werden können. Lediglich die Menge der Daten ist entscheidend, um dem Kunden ein möglichst individuelles Produkt anzubieten und nachhaltig die Kundenzufriedenheit zu steigern. 

Herausforderung 2: Externe Lösungen schnell und einfach anbinden

Drittanbieter rücken zunehmend in den Fokus, da sie digitale Lösungen anbieten, die denen der Versicherungen oftmals überlegen sind. Besonders im Bereich der Betrugserkennung und der KI-unterstützten Fallbearbeitung wurden in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht. Die Voraussetzung für eine Einbindung solcher innovativen Services, um sie nicht selbst kostspielig und zeitintensiv entwickeln zu müssen, sind offene Schnittstellen und eine darunterliegende Plattform-Architektur. 

Laut der zuvor bereits genannten Studie der Versicherungsforen Leipzig und .msg sehen jedoch nur lediglich 20 Prozent der befragten Experten das eigene Unternehmen im Bereich des Schnittstellenmanagements und der Anbindung von Systemen als gut oder sehr gut aufgestellt. Hier besteht Handlungsbedarf, denn um von den Kostenpotenzialen durch höhere Automatisierungsgrade profitieren zu können, ist die Einbindung externer Ressourcen essenziell. Versicherungen müssen in der Lage sein, die für sie jeweils besten Partner einfach anbinden zu können, um so den schnellen Auf- und Ausbau digitaler, kundenzentrierter Serviceerlebnisse entlang der Wertschöpfungskette voranzutreiben. 

Für die reibungslose Integration von Drittservices stellen Ökosysteme die Lösung dar. Über hierfür vorgesehene Plattformen werden die Services mittels offener Schnittstellen bereitgestellt und können ohne großen Aufwand in die Prozesse des Unternehmens eingebunden werden. Lock-in-Effekte werden dabei vermieden. Versicherungen erreichen so einen hohen Grad an Flexibilität und resultierend Anpassungsfähigkeit. Sie können eine strategische Auswahl treffen, welche Services von externen Unternehmen bezogen werden und die dadurch gewonnen Ressourcen, wie Zeit und Aufwand, für die Entwicklung intern fokussierter Lösungen nutzen. Sich als Akteur im Ökosystem Schaden aktiv einzubringen bietet große Chancen und wird notwendig sein, um erfolgreich der anspruchsvollen Erwartungshaltung des Kunden gerecht zu werden. 

Herausforderung 3: Skalierbarkeit der Prozesse 

Extremsituationen, wie Stürme, Hochwasser oder auch die Covid-19 Pandemie, zeigen, dass eine „klassische“ Skalierung von Prozessen, wie beispielsweise die Erhöhung von Personal in Call Centern, nicht ausreichen. Den geschädigten Personen ist nicht geholfen, wenn sie instabile, zusammenbrechende Online- oder Telefonangebote mit langen Wartezeiten hinnehmen müssen. 

Damit Versicherungen ihren Kunden im Schadensfall als leistungsfähiger Partner zur Seite stehen können, müssen Prozesse in der Cloud innerhalb von Sekunden automatisiert auf plötzliche Herausforderungen skaliert werden. Um eine Skalierung in diesem Maße erfolgreich umsetzen zu können, ist es eine Grundvoraussetzung, dass die technische Basis modular und flexibel ist. 

Das bedeutet, dass sich die entwickelten Prozesse aus modularen Bausteinen, also Microservices, zusammensetzen. Microservices sind als kleine, entkoppelte Dienste zu verstehen, die als eigenständiger Prozess laufen und über APIs miteinander kommunizieren. Sie sind unabhängig voneinander und können dementsprechend je nach Bedarf schnell und flexibel angepasst, erweitert, ausgetauscht oder skaliert werden, ohne dass dies einen Einfluss auf die Funktionalität der gesamten Anwendung hat. Dementsprechend wird es für Versicherungen, deren IT-Architektur auf dem Prinzip der Microservices basiert, zukünftig keine Herausforderung mehr sein auf Extremsituationen und folglich auf steigende Schadenmeldungen zu reagieren und ihre digitalen Prozesse dementsprechend anzupassen.

Unserer Ansicht nach sind das konsequente Denken aus Sicht des Kunden anhand von Daten, die Einbindung externer Ressourcen und die Skalierbarkeit der Prozesse die Erfolgsfaktoren für das Schadenmanagement der Zukunft. Orientieren sich die Versicherungen in den kommenden Jahren bei der Investitionsplanung an diesen spezifischen Lösungen, wird es ihnen gelingen, die Kosteneinsparungspotenziale voll auszuschöpfen und darüber hinaus von einer gesteigerten Kundenzufriedenheit zu profitieren.


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