10.10.23

Coopetition: Luftnummer oder Megatrend?

*Mit freundlicher Genehmigung von der Zeitschrift für Versicherungswesen

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Der Begriff Coopetition wird in der Versicherungsszene immer deutlicher vernehmbar. Gleichzeitig kooperieren und Wettbewerber sein – ist das ein Megatrend, der die Versicherer fundamental und dauerhaft verändert oder nur eine Kurzzeiterscheinung, die sich als Luftnummer entpuppt? Darüber sprach die Zeitschrift für Versicherungswesen mit Markus ^, Ideengeber der Service Dominierten Architektur, einem aus der Servicewissenschaft abgeleiteten Bauplan für die Gestaltung von Kooperationen mittels Plattformen und Ökosystemen. Er ist Co-Initiatior des Plattform- und Ökosystementwicklers SDA SE und begleitet den Plattformanbieter onpier und zahlreiche weitere Projekte in den Bereichen Transformation, Health und Mobility. Wir führten dieses Gespräch, um konkrete Tipps für Versicherungsunternehmen zu erhalten.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Zum Einstieg eine Basisfrage, die im allgemeinen Hype um den Begriff etwas untergeht: „Was ist Coopetition?”

Markus Warg
Der Begriff steht für Konstellationen, in denen Unternehmen sowohl kooperieren als auch Wettbewerber sind. Also für Cooperation und Competition. Die Ursachen für die Kooperationen sind vielfältig und reichen von Kostenvorteilen über die Verbesserung der Marktposition in bestehenden Märkten bis zur Erschließung neuer Märkte.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Haben Sie konkrete Beispiele?

Markus Warg
Gerne. Coopetition ist nicht neu und in allen Industrien erlebbar. In der Autoindustrie werden seit Jahrzehnten Fertigungstiefe und Kosten einzelner Anbieter über Kooperationen bei beispielsweise gemeinsamen Fertigungsplattformen reduziert. VW startet gerade eine Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Xpeng, um die Marktposition bei Elektroautos in China zu verbessern.

Amazon bietet seinen Marktplatz auch unternehmensfremden Händlern und damit Wettbewerbern an, um die Attraktivität des Marktplatzes zu erhöhen und um zu lernen. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden auch die Coopetition-Modelle vielfältiger. Beispielsweise ermöglicht die Kooperation von Airbnb mit dem Technologieanbieter SiteMinder auch Hotels und anderen Wettbewerbern, die SiteMinder nutzen, ihre Zimmer auf Airbnb anzubieten.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Kling alles sehr schön – aber Coopetition birgt doch sicher auch Risiken?

Markus Warg
Oh ja, was zunächst einfach aussieht, kann sich als sehr komplex entpuppen. Die Partner haben ja nicht nur eine bilaterale Beziehung, sondern sind in Netzwerke ihrer Industrien und Regionen eingebettet. Aufsichtsrechtliche Regeln oder auch Gewohnheiten in den bestehenden Abläufen können Coopetition-Modelle be- oder verhindern.

In jedem Fall ist es erforderlich, beide Facetten der Beziehung, also die Kooperation und die Wettbewerbsposition zu managen. Der Weinbau demonstriert das sehr deutlich. Die gemeinsame Nutzung von Personal, Maschinen, Gebäuden sowie gemeinsame Qualitäts- und Erzeugungsregeln können Produktions- und Vertriebskosten senken und Fachwissen, bspw. Önologen, Marketing etc., ermöglichen. Diesen Vorteilen stehen mögliche Risiken wie eine unzureichende Differenzierung, hoher Abstimmung- und Monitoringaufwand und ungleiche Vorteilsgenerierung gegenüber.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Das klingt machbar, aber warum tun sich Versicherer so schwer, diese Chancen zu nutzen?

Markus Warg
Versicherer agieren langfristig und in einem hochregulierten Umfeld. Da ist es aus Gründen wie Datenschutz, Informationssicherheit, Compliance etc. schwierig, mal eben was gemeinsam hinzustellen. Zudem ist die Luft für gemeinsame Explorationen wie Coopetition in den Projektportfolios traditionell dünn. Und auch die Brancheninitiativen, die über das Abstimmen von technischen Normen hinausgehen, sind rar gesät.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Wie kann Coopetition bei Versicherern dann doch gelingen?

Markus Warg
Mit kleinen Schritten, die Vertrauen und die Chance für „mehr“ aufbauen. Konkret sind das Anwendungsfälle (Use Cases), die ohne großen Aufwand, insbesondere in der IT, schnell Nutzen entfalten. Die Anwendung kann beispielsweise via Link erfolgen, den der Versicherer erhält und ihn über die Webseite seinen Kunden zur Verfügung stellt.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Aber wie kann man mit einem Link alle regulatorischen Anforderungen lösen?

Markus Warg
Nun wird es doch etwas technisch. Indem der Link zu einer kleinen Plattform führt und diese wiederum für jeden Versicherer auf einer eigenen technischen Umgebung, einer sogenannten Instanz, steht. Auf diese Weise kommen die Services zu den Daten der Versicherer oder Endkunden und nicht umgekehrt.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Haben Sie ein Beispiel aus der Praxis?

Markus Warg
Ja, onpier. Die B2B2C Plattform ist als Coopetitionsansatz von Versicherern für Versicherer gegründet. Die digitale Fahrzeugzulassung ist so ein Use Case, der mittlerweile von ca. zehn Versicherern bereits genutzt wird. Er wird per Link zur Verfügung gestellt. Die darunterliegende kleine Plattform ist architektonisch so konzipiert, dass sie mit weiteren Use Cases schrittweise mitwachsen kann.

Zeitschrift für Versicherungswesen
Herr Warg, haben sie wieder einen abschließenden Tipp für Versicherer? Quasi „one for the road“?

Markus Warg
Gerne. Mein Tipp ist es, die offenen Brancheninitiativen wie FRIDA beim Datenaustausch, SDA SE bei der Plattformentwicklung oder onpier bei Mehrwertservices einfach mal zu testen.

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